Publikation / Anwendungspraxis in der stationären Psychiatrie: Medizinisch indizierte Belastungserprobung
17. August 2023
Bei akuter Suizidgefahr oder gefährlichem, realitätsfremdem Handeln einer Person.
Polizeinotruf Telefon 117
Sanitätsnotruf Telefon 144
Suizidgedanken?
Für Erwachsene: Telefon 143
Für Jugendliche: Telefon 147
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Wir sind 24 Stunden am Tag erreichbar.
«Walk-In»-Sprechstunden /
Ambulanter Notfall ohne Anmeldung
Klinik Waldhaus Chur / Zugang via Haupteingang
Montag bis Sonntag: 08.00 bis 20.00 Uhr
«Walk-In»-Sprechstunden / Ambulanter Notfall Klinik Waldhaus Chur
Mit «Walk-In»-Sprechstunden (Ambulanter Notfall) am Standort der Klinik Waldhaus Chur steht eine zentrale Anlaufstelle auch ohne Anmeldung zur Verfügung. Damit wird ein unkomplizierter Zugang für eine psychiatrische Hilfeleistung für Betroffene geschaffen. Zum Angebot gehört auch die Beratung von Angehörigen.
Zugang via Haupteingang Klinik Waldhaus Chur (Signalisation «Ambulanter Notfall»)
Psychiatrische Dienste Graubünden
Klinik Waldhaus
Loëstrasse 220
7000 Chur
Station Albula Klinik Waldhaus Chur
Die Klinik Waldhaus Chur verfügt über eine 24 Stunden Notfall-Aufnahme. Die Zufahrt ist auf dem Klinik-Areal mit der Bezeichnung «Notfall» signalisiert und ist mit dem Fahrzeug erreichbar.
Psychiatrische Dienste Graubünden
Klinik Waldhaus
Loëstrasse 220
7000 Chur
Ambulante Krisenintervention (AKi)
Wir bieten von Montag bis Sonntag, 08.00 bis 20.00 Uhr, für das Bündner Rheintal, entlang der Achse Maienfeld – Thusis, eine aufsuchende Behandlung und Betreuung von Patienten mit akuten psychiatrischen Krisen in der häuslichen Umgebung oder vor Ort des Geschehens an. Das Behandlungsteam ist mit einem Arzt und einer erfahrenen Dipl. Pflegefachperson HF besetzt.
Montag bis Freitag:
08.00 – 12.00 und 13.30 – 17.00 Uhr
Bei einem Notfall oder einer Krise, ausserhalb der obengenannten Zeiten, nehmen Sie mit uns unter Telefon 058 225 20 00 Kontakt auf.
Ambulante Krisenintervention im Ambulatorium für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Während den Bürozeiten können sich Eltern, Kinder und Behandlungspartner im Ambulatorium für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Masanserstrasse 14, 7000 Chur melden.
Bei einem Notfall oder einer Krise, ausserhalb der obengenannten Zeiten, nehmen Sie mit uns unter Telefon 058 225 20 00 Kontakt auf.
17. August 2023
Praktische Relevanz und potentielle Auswirkungen einer weiteren Rationierung
Fabian Müller, Henrike Wolf, Rahul Gupta, Andres Ricardo Schneeberger
Einleitung
«Im geschützten Raum der Klinik bieten sich zahlreiche Möglichkeiten an, neues Verhalten zu erproben. Durch die frühzeitige Einbeziehung der sozialen Realität der Patientin in die Behandlung (Einbeziehung von relevanten Bezugspersonen, Beurlaubungen unter therapeutischen Zielsetzungen, Arbeitserprobung etc.) wird der Transfer neuer Kompetenzen in die Alltagssituation gefördert.»
Die Belastungserprobung (BE) ist in psychiatrischen Kliniken und Abteilungen integraler Bestandteil eines Therapie- bzw. Interventionsplans, laut Schweizerischer Operationsklassifikation (CHOP) mit dem Ziel der zeitlich begrenzten Prüfung einer realistischen, selbständigen Reintegration in altersentsprechende soziale Prozesse wie Ausbildung, Arbeit, Familie oder Wohnsituation. Auch international werden BE als ein tradierter Bestandteil stationärer psychiatrischer Behandlung eingesetzt, bisher sind sie jedoch selten Gegenstand empirischer Forschung. Ein systematischer Review aus dem Jahre 2018 kommt zu dem Schluss, dass es keine Evidenzbasis für BE gibt und bemängelt insbesondere, dass deren Anwendung eher auf der Basis «heuristischer Regeln» und «unbelegter Annahmen» erfolgt.
Es mag paradox klingen, aber möglicherweise gibt es zum Einsatz und zur Bedeutung von BE gerade deshalb so wenig Literaturbelege, weil sie scheinbar schon immer zum stationär-psychiatrischen Alltag gehörten. Sie entsprechen offensichtlich einem Patientenbedürfnis und werden von den entscheidungsbefugten Expertinnen und Experten bewilligt. Aber ist deren Stellenwert tatsächlich gerechtfertigt? Wird er überschätzt – oder gar unterbewertet? Aufgrund der selbstverständlichen und breiten Anwendung sind diese Fragen an sich schon erforschungswürdig – dass die gängige Praxis unter dem herrschenden Ökonomisierungsdruck im Gesundheitswesen in Bedrängnis gerät, macht sie nur umso drängender.
Einige spezifische Formen der BE finden sich in der Literatur. Die berufliche BE als therapeutische Wiedereingliederungsmassnahme, häusliche BE im geriatrischen Bereich mit dem Ziel, dass der Patient die Kompetenzen für einen selbständigen Alltag wiedererlangt, sowie BE von Straftätern und Straftäterinnen. Empirische Resultate fehlen jedoch weitgehend.
Die Transition aus dem stationären Aufenthalt zurück in das alltägliche Leben (discharge process) wurde in einigen Arbeiten untersucht. Der Nutzen einer weitsichtigen und strukturierten Austrittsplanung, welche BE beinhaltet, ist belegt. Die genaue Bedeutung von BE als Teil des Austrittsprozesses wurde jedoch kaum detailliert erforscht. Auf Grund der veränderten Tarifstrukturen durch TARPSY, ein 2018 in Kraft getretenes Abrechnungsmodell für die stationäre Psychiatrie in der Schweiz, wurde auch die Möglichkeit der BE reglementiert und tariflich auf 24 Stunden limitiert. In begründeten Fällen sind weiterhin Erprobungen zwischen 24 und 48 Stunden möglich, unter der Bezeichnung «Verlängerte medizinisch-therapeutisch indizierte Belastungserprobung». Da der Klinik auch in Abwesenheit des Patienten Kosten entstehen (das Bett wird freigehalten da jederzeitige Rückkehr möglich ist, ein Notfalltelefon ist gewährleistet, etc.), bedeutet die deutlich geringere Vergütung über 24 Stunden bei Weiterführung der bisherigen Praxis einen finanziellen Verlust.
Nebst der intrinsischen Bedeutung von BE als Übung und Erprobung der Rückkehr in den Alltag beinhalten BE ohne Frage therapeutische Leistungen wie die Planung, die Vor-und Nachbearbeitung und die telefonische Betreuung. Insbesondere auf die Frage, ob und unter welchen Umständen BE einen spezifischen psychiatrischen Wirkfaktor darstellen, lassen sich in der Literatur jedoch keine empirisch begründeten Antworten finden.
Diese Studie möchte einen Forschungsauftakt setzten und startet dazu mit einer aktuellen Bestandsaufnahme. Die erörterte Relevanz einer empirischen Untersuchung zur Bedeutung von BE im Allgemeinen und zum Einfluss der veränderten Anwendungspraxis im Besonderen, führte zu folgenden Hypothesen. Die Dauer von BE nimmt nach der Änderung der Abrechnungspraxis in TARPSY ab dem 1.1.2020 ab. BE sind mit einem grösseren Therapieerfolg der stationären Behandlung und einer längeren Dauer bis zum Wiedereintritt assoziiert.