Oktober 2020

Upcycling-Produktion bei der ARBES

Sind ausgediente Snowboards Schnee von gestern? Mitnichten! Marcel Gansner, Leiter Industrie bei der ARBES, findet andere Wege: Innovatives Upcycling verwandelt seine Werkstatt in ein kreatives Labor voller bunter Ideen und gefragter Unikate.

Mit alten Weinflaschen ist das ja so: Manche werfen sie achtlos ins Altglas. Andere sehen darin einen dekorativen Kerzenleuchter, der für kuschelige Vintage-Romantik sorgt. Ähnlich entwickelte sich damals die Sache mit den ausgedienten LKW-Planen: Statt diese achtlos zu entsorgen, sorgte eine ebenso simple wie geniale Idee für einen Hype an Citybags und stylishen Umhängetaschen.

Welches Potenzial, fragte sich ein passionierter Snowboarder aus dem Prättigau vor vielen Jahren folgerichtig, steckt dann erst in einem ausgedienten Snowboard?

Die Idee, ein altes, aber doch innig geliebtes Board als Schnee von gestern zu deklarieren, ging Marcel Gansner völlig gegen den Strich. Er wollte andere Wege gehen.

Schritt für Schritt baute er einen innovativen Upcycling-Prozess auf. Er betrat spannendes Neuland innerhalb des Betriebs und entdeckte vielversprechendes Terrain. Die Spuren, die er dabei legte, sind bis heute erfolgreich und sollten schon bald in erfolgreichen Unikaten gipfeln.

Zwischen Wintertraum und Werkstattbank: Ein Board ist wunderbar wandelbar

Marcel Gansner ist Leiter Industrie bei den Werkstätten der ARBES am Standort Rothenbrunnen. Als gelernter Industriemechaniker kam er vor über 20 Jahren als Fachbetreuer in die Produktion der Werkstätte der Psychiatrischen Dienste Graubünden (PDGR).

Jeans, Hoody, Sneaker und ein trendiges Chäppli über den halblangen Haaren – im sportlichen Look fühlt sich der dynamische Teilbereichsleiter noch immer am wohlsten. Die braunen Augen leuchten, wenn er beginnt, von Neuschnee-Powder und Steilhängen zu erzählen.

«Wer leidenschaftlich Snowboard fährt, kennt das Gefühl,
das Brett sei an den Füssen angewachsen»,
kommt er schnell ins Schwärmen.

Der heute 42-Jährige kennt in den schneebedeckten Bündner Bergen jede Piste, jeden Hang, jedes Gelände. Ein breites Lachen verrät, dass seine Gedanken kurzzeitig über den Powder gleiten, bevor es wieder sachlich wird: «Ich fand es einfach eine irre Verschwendung und brachte es kaum übers Herz, alte Snowboards wegzuwerfen. Ihre Wiederverwertung ist für mich eine logische Konsequenz aus der Leidenschaft für die Sportart.»

Upcycling: Eine nachhaltige Idee sorgt für Innovationen

Der ökologische Aspekt spielt in der Snowboard-Upcycling-Serie der ARBES eine tragende Rolle: Es geht darum, brauchbare Materialien sinnvoll weiterzuverwenden und neu einzusetzen. Die Wiederverwertung von scheinbar «nutzlosen» Objekten ist ein Gegentrend zur Wegwerfgesellschaft, der seit vielen Jahren anhält: Upcycling poliert Produkte auf, interpretiert sie neu, macht sie wieder einsatzbereit und entlastet nebenbei die Müllberge.

Total regional – total sozial: Wichtige Argumente in der Produktion

Auch bleiben die Produkte in der Region: Vom Berg auf die Werkbank sind es oft nur wenige Kilometer. Viele Boards, die bei der ARBES verarbeitet werden, stammen aus den Lagern von Sportartikelverkäufern, Vermietungs-Anbietern oder aus Privathaushalten des Domleschg und aus Graubünden.

Ein weiteres Argument ist die Herstellung an sich: Die Werkstätte bietet erwachsenen Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung geschützte Arbeitsplätze. Insgesamt arbeiten rund 200 Klientinnen und Klienten bei der ARBES, davon 51 im Bereich Industrie von Marcel Gansner.

Konzentration aufs Wesentliche: Hier wird an allen Details gefeilt

Entspannt, aber ebenso hoch konzentriert geht es an der Werkbank zu, wenn die Mechaniker ein Snowboard in seine Einzelteile zerlegen. Wenn sie dem Brett mit Trennscheibe und Stichsäge eine neue Form verleihen. Wenn sie den Bohrer durch das knallige Design des Sportgerätes führen, um Teilstücke wieder mit Metallstäben verbinden und ein modernes Möbelstück daraus zaubern. Oder auch, wenn sie die Kanten von Hand liebevoll fräsen, schleifen und einölen.

«Pro Jahr fahren 300 bis 500 Boards über unsere Werkbank.
Einige davon können wir zu 100 Prozent recyceln»,
berichtet Gruppenleiterin Manuela Christandl. 

Die Ideen gehen dabei nicht aus: Ihr Ziel ist es, jedes Jahr ein neues Produkt zu kreieren, um die Kundschaft immer wieder von Neuem zu begeistern. Denn mittlerweile, erzählt die 30-jährige Gruppenleiterin nicht ganz ohne Stolz, habe die Werkstatt tatsächlich eine Stammkundschaft, die die Märkte, das ARBES Lädali oder andere Verkaufsgelegenheiten der Werkstatt gezielt besucht, um sich regelmässig neue Lieblings-Unikate auszuwählen.

«Jedes Produkt gibt es bei uns nur ein einziges Mal»,
ergänzt Manuela Christandl. «Zwar sind die Serien umfassend,
doch das Design kommt jedes Mal anders.»

Einzigartig eben. Da ist zum Beispiel das Pilot-Produkt, der Snowboard(r)ing, welcher vor über 10 Jahren die Snowboard-Upcycling-Serie ins Rollen brachte und noch heute ein Verkaufsschlager ist. Oder Marcel Gansners persönlicher Liebling, der Hängover: Ein kunterbunter und absolut stabiler Kleiderbügel, der insbesondere schwere Arbeits- oder Sportbekleidung locker wegsteckt. Als Renner entpuppte sich auch das Füdliboard, eine Art Superglider mit weicher Sitzfläche und Griffseil, welches aus der leicht gebogenen Snowboardnase hergestellt wird.

Rocketboards, Pinboards, Keyboards, Wanduhren, Talismänner und Keyholder – die Palette an Wohnaccessoires, Schmuck und Freizeitgeräten deckt mittlerweile viele Bedürfnisse ab. Beliebt sind auch die bequemen Stühle und Sitzgelegenheiten, die durch ihr Design ins Auge stechen. Alle Produkte haben eines gemeinsam: Sie sind mit Finesse entwickelt, funktional durchdacht und ästhetisch anspruchsvoll umgesetzt.

Einzigartig: Upcycling-Ideen sind nachhaltig und liegen im Trend

Das macht der Werkstatt von Marcel Gansner und Manuela Christandl so schnell keiner nach. Denn: «Die Sicherheitsvorschriften für die Produktion sind anspruchsvoll», betont der Leiter mit gedacht erhobenem Zeigefinger.

Die Klientinnen und Klienten arbeiten mit speziellen Absauganlagen, Handschuhen und Atemwegschutz. Das tut der Motivation aber keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die Gruppe ist mit Feuereifer bei der Sache und legt Wert auf eine lupenreine Bearbeitung.

«Es macht uns alle stolz, mit unseren Eigenprodukten
den Nerv der Zeit zu treffen und ein Vorreiter im kreativen
Upcycling zu sein», resümiert Marcel Gansner.

Augenzwinkernd greift er an den Schirm seines Chäppli, als wolle er höflich grüssen: «Gestatten: ARBES – wir sind die mit den Snowboards!»

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