Aufarbeitung der Psychiatriegeschichte des Kantons Graubünden
21. Juni 2021
Im Auftrag der Bündner Regierung hat die Universität Basel in einer umfassenden Studie die Psychiatriegeschichte des Kantons Graubünden von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis in die jüngste Vergangenheit aufgearbeitet. In der heutigen Medienkonferenz stellte der Kanton Graubünden die Studie vor.
Fürsorgerische Zwangsmassnahmen prägten Bündner Psychiatrie
Die Bündner Psychiatrie wird insbesondere im Zusammenhang mit Zwangsmassnahmen und Medikamentenversuchen immer wieder thematisiert. Gemäss der Studie erfolgten bis 1980 ein Drittel bis die Hälfte der psychiatrischen Eintritte aufgrund von Zwangseinweisungen. Fürsorgerische Zwangsmassnahmen betrafen häufig Fälle von Alkohol- oder Drogenmissbrauch, später auch von Selbstgefährdung. Den Studienverfassern zufolge spielte die Bündner Psychiatrie bei der Erforschung neuer Psychopharmaka keine prominente Rolle.
Zentrum für erbbiologische Forschung und Entwicklung
Im 20. Jahrhundert war die Bündner Psychiatrie eines von mehreren Zentren für erbbiologische Forschungen in der Schweiz. Zu den entsprechenden Forschungsfeldern gehörten etwa die Stammbaumforschung und der Aufbau eines sogenannten Sippenarchivs. Auch setzten sich Bündner Kliniken stark für die Entwicklung und Anwendung neuer Therapien, wie etwa Insulinkuren und Elektroschocktherapien ein.
Nachhaltige Reformphase in den 1960er Jahren
Ab den 1960er Jahren haben in den Bündner Kliniken nachhaltige Reformen auf organisatorischer sowie auf angebotsmässiger Ebene stattgefunden. Es wurden spezialisierte Abteilungen mit Angeboten für unterschiedliche Patientengruppen wie Kinder und Jugendliche, Menschen mit Behinderungen oder ältere Patientinnen und Patienten entwickelt. Seit den 1970er Jahren wurden zudem die ambulanten und teilstationären Angebote der Bündner Psychiatrie stark ausgebaut. Die psychopharmakologische Wende habe es ermöglicht, Menschen mit psychischen Störungen auch ausserhalb der Klinik zu behandeln.
Das Bündner Staatsarchiv hat mit dem Band 38 der Reihe «Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte» die Aufarbeitung der Bündner Psychiatriegeschichte in einem Buch festgehalten.
Das Buch «Versorgen, behandeln, pflegen — Geschichte der Psychiatrie in Graubünden» kann bestellt werden: Titelflyer Psychatrie In Graubünden
Ebenfalls steht das Buch als PDF zur Durchsicht bereit.