März 2021
Die Textilwerkstätte der ARBES macht das Leben bunter
Über 50 Fasnachtskostüme pro Saison, rund 240 km Faden im Jahr und bis zu 5’000 Laufmeter Stoff je Auftrag. Mehrere Tausend «Maskentäschli» im Kundenauftrag und 188 Upcycling-Gemeindekissen, die bei ihrer Online-Versteigerung Ende 2020 reissenden Absatz fanden. Die Arbeiten der Textilwerkstätte widerspiegeln eine Vielfalt, die in den buntesten Farben schillert.
Claudia Müller ist die Frau der ersten Stunde: Vor über 40 Jahren arbeitete sie als Krankenpflegerin in der Klinik Waldhaus und leitete dort eine Strickgruppe für Patientinnen. «Ich habe schon immer gerne handwerklich gearbeitet», so die heute 64-Jährige. «Und ich hatte von Anfang an Freude daran, mit Menschen gemeinsam etwas zu gestalten.» Es sollte aber noch einige Jahre dauern, bis diese Berufung zu ihrem Beruf wurde. 1998 schliesslich startete die Churerin ein Textilatelier, das damals dem Wohnheim Montalin der Psychiatrischen Dienste Graubünden (PDGR) angeschlossen war.
Heute ist die Textilwerkstätte ein Arbeitsbereich der ARBES. Am Standort Waldhaus in Chur sowie am Standort Roveredo arbeiten insgesamt rund 50 Klientinnen und Klienten. Das Ziel der geschützten Werkstätte ist es, die Klientinnen und Klienten in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Sie werden hierbei von Abteilungsleiterin Claudia Müller und sechs Mitarbeitenden begleitet und betreut.
«Unsere Arbeit ist unsere wichtigste Visitenkarte», betont sie mit Blick
auf die sehr gute Auftragslage des kreativen Ateliers.
Laufend kommen neue Kunden und Anfragen hinzu – und das, obwohl Claudia Müller in ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit bislang keinen einzigen Werbeflyer verteilt hat. «Ich denke, die Qualität unserer Arbeit spricht sich einfach herum», stellt die Leiterin mit einem kurzen Schulterzucken fest. Termintreue, hochwertige Materialien und kreative Ideen, fügt sie hinzu, seien natürlich auch selbstverständlich.
«Es macht Spass, gemeinsam etwas Schönes zu erschaffen.»
Die Erinnerungen an die Anfänge entlocken der Textil-Leiterin ein spontanes Lachen: «Anfangs haben wir einfach nur gebastelt. Wir suchten zum Beispiel Steine am Rhein und schauten, was wir daraus machen könnten.» Ihre Kreativität überzeugte aber schnell, immer mehr Anfragen erreichten die neu gegründete Textilwerkstätte. «Wir fingen an, auch Hemden zu glätten und Hosen und Kleider zu flicken. Schliesslich begannen wir sogar, ganze Fasnachtskostüme zu nähen.» Bis heute ist das ein fester Bestandteil der Aufgaben.
Jährlich stellen die Näherinnen und Näher bis zu 100 Guggenmusikkostüme her.
Jedes Jahr neu – mal bunt und schrill, mal schlicht und elegant,
aber immer aufwendig und technisch herausfordernd.
Natürlich verlangten mehr Aufträge auch mehr Hände. Im Nu ist die Abteilung gewachsen und bis heute sehr gut ausgelastet. Unter der Führung von Claudia Müller steht dabei nach wie vor die Teamarbeit auf Augenhöhe im Mittelpunkt: «Unseren Klientinnen und Klienten begegnen wir stets mit grösster Wertschätzung. Wir geben ihnen klare Tagesstrukturen und teilen die Aufgaben so zu, dass sie die Menschen in ihrem Können bestärken und ihnen die Arbeit Spass macht.»
«Wir nutzen die Handarbeit, um mit den Menschen im Austausch zu bleiben.»
Im Alltag heisst das, dass sich die Fachbetreuerinnen viel Zeit für ihre Klientinnen und Klienten nehmen. «Wir setzen uns gerne dazu und nutzen die Handarbeit, um dabei auch persönliche Themen zu besprechen, die gerade akut sind.» Neben dem Nähen, Glätten und Flicken produziert die Abteilung auch eigene Grusskarten. Zahlreiche lustige und bunte Kreationen pinnen als Prototypen über der Werkbank an der Wand. Perlen, Federn und Holzelemente stehen in kleinen Kästchen für neue Ideen bereit.
Überhaupt sind Ideen die gefragteste Ware:
Von hochwertigen Kinderfinken über trendige Bienenwachstücher
bis hin zum praktischen Daypack
erfüllt die Textilwerkstätte alle Kundenwünsche.
Häufig recycelt sie dabei eigens gelieferte Materialien wie Firmenblachen oder Jutesäcke. «Es ist schön, wenn wir auch das Produktdesign entwickeln und so richtig kreativ sein dürfen», berichtet Claudia Müller. Daraus entstehen beispielsweise Taschen mit Firmenlogo als Werbegeschenke oder praktische Accessoires und Wohndekorationen für den Alltag zu Hause. Auch skizzieren ihre Mitarbeiterinnen ganze Kollektionen, erstellen die Schnittmuster und setzen die Arbeiten im Team um.
Die Palette lässt sich fast endlos fortsetzen und ständig erweitern. Wenn die Textilwerkstätte nicht im Kundenauftrag arbeitet, fertigt sie ihre Produkte für das ARBES-Lädali in Chur und den E-Shop an oder verkauft sie auf Märkten in der Region.
Dass es bunt weitergeht in ihrem Leben, das wünscht sich
Claudia Müller im Moment ganz besonders.
Im Mai 2022 geht die «Mutter» der Textilwerkstätte in Pension und wird ihre Arbeit übergeben. «Die vielen Kontakte und all die unterschiedlichen Persönlichkeiten in unserem Arbeitsbereich werde ich sehr vermissen», gibt sie offen zu. Hündin Henshi, die sie seit sechs Jahren als Therapiehündin tagaus, tagein begleitet, nimmt sie mit. Ihr Wunsch ist es, vermehrt Einsätze für die Therapiehündin zu finden. «Ich bin sicher, dass uns auch hier die Ideen nie ausgehen werden.»