März 2022
Betreute Angestellte erzählen von ihrem Alltag bei der ARBES.
Arbeiten bei der ARBES – das bedeutet für jeden der betreuten Angestellten etwas anderes: ein wohltuendes Miteinander, eine wertvolle Beschäftigung oder sogar eine zweite Heimat.
Exakt 50 Schrauben kommen in jedes Kästchen. Dann wird es mit einem Klebeetikett verschlossen und zu Berti weitergereicht. Die 65-Jährige nimmt ein Gummiband und spannt es geschickt über fünf fertige Boxen. «Dafür braucht man Kraft in den Fingern», erklärt die betreute ARBES-Angestellte der Industrie Rothenbrunnen. Nun reiht sie die Kästchen in einem Karton sauber nebeneinander, so dass alle in die gleiche Richtung schauen.
Die Abteilung Industrie ist ein Arbeitsbereich der ARBES, der geschützten Werkstätte der Psychiatrischen Dienste Graubünden. Sie beschäftigt an den Standorten Rothenbrunnen, Roveredo und Chur rund 200 betreute Angestellte – Menschen, die sich aufgrund einer psychischen Beeinträchtigung im ersten Arbeitsmarkt nicht alleine zurechtfinden oder sich gezielt darauf vorbereiten.
Die Werkstätten bieten einen geschützten Arbeitsplatz und erbringen einwandfreie Dienstleistungen.
Wenn Berti am Mittag nach Hause fährt, weiss sie genau, was sie geschafft hat. «Die Schrauben machen wir gerade wegen des Lieferunterbruchs bei den Steckern», weiss die quirlige Dame mit strahlend blauen Augen und einem ansteckenden Lachen. Bis zu 20’000 Stecker fertigt ihre Gruppe manchmal pro Woche an. Diese werden von einer Firma aus der Region geliefert und finden Verwendung in der Musikindustrie.
«Ein Original», beschreibt Betreuerin Marlen Schärer ihre betreute Angestellte:
freundlich, fürsorglich, motiviert und immer zur Stelle, wenn man sie braucht.
Am meisten bewundert sie Bertis Elan und die Freude, mit der sie an die Arbeit geht. «Man muss doch froh sein, dass es so etwas wie die ARBES überhaupt gibt!», bringt sich die 65-Jährige postwendend ein. Sie hat das Pensionsalter erreicht und ist noch mit einem Teilzeit-Pensum angestellt – aber ans Aufhören will sie nicht denken: «Die geschützten Werkstätten sind meine zweite Heimat.»
Die gelernte Verkäuferin war zuletzt in einer Fabrik angestellt gewesen. Als diese geschlossen wurde und sie hätte versetzt werden sollen, da habe es im Kopf «geklöpft» – es wurde einfach alles zu viel. Sie kam zunächst in die Tagesklinik und wechselte vor sieben Jahren in die ARBES, wo sie eine Anstellung als externe Klientin bekam. Sie habe sich an Vorträgen informiert und kam auf eigenen Wunsch hierher, um in einem geschützten Rahmen weiterhin arbeiten zu können.
In der ARBES bringt jeder ein, was er gerade leisten kann.
Berti wohnt heute in einem kleinen Dorf und fährt täglich eine Stunde mit dem ÖV zur Arbeit. Im Winter ist die rüstige Seniorin oft schon um vier Uhr auf den Beinen, um vorher noch Schnee zu schippen und das Haus zu heizen, aber in der Werkstatt erscheint sie trotzdem immer pünktlich. Hier fühlt sie sich angenommen, so wie sie ist:
«Wir gehen ehrlich miteinander um und können über alles reden»,
fasst sie ihr Heimatgefühl für die ARBES zusammen. Echtes Teamwork eben.
Ähnlich ergeht es Martin, einem betreuten Angestellten der Schreinerei. Er strahlt über das ganze Gesicht, als er auf sein Jubiläum hinweist: Ganze zehn Jahre sei er bereits bei der ARBES tätig. Wie alt er denn sei? Er überlegt und schaut Betreuer David Hänni unsicher an. 34 Jahre – oder? Nein… Beide rechnen Schritt für Schritt nach und kommen auf 44 Jahre. Ach ja. Es komme ihm halt vor wie gestern, dass er in der Einrichtung Giuvaulta zur Schule ging.
Ganz genau hat er hingegen seine Arbeitszeiten im Kopf: Der Tag bei der ARBES beginnt um 8 Uhr. Nach der Kaffeepause von 9.10 bis 9.30 Uhr arbeitet er bis am Mittag und schnappt sich dann sein E-Bike, um für das Essen nach Hause zu fahren, wo er mit seinen Eltern wohnt. Die lange Mittagspause bis 13.30 Uhr geniesse er sehr, berichtet Martin. Und nach Feierabend um 17 Uhr drehe er dann am liebsten gleich nochmal eine Runde mit dem E-Bike.
Kameradschaft wird bei der ARBES grossgeschrieben.
Martin ist Vollzeit angestellt und Teil einer siebenköpfigen Gruppe. Der jährliche Gruppenausflug, der mache ihm natürlich am meisten Spass. Aber auch die Vielseitigkeit seiner Arbeit findet er spannend: «Wenn ich mich an einer Maschine besonders konzentrieren muss, sage ich das den anderen, damit ich ungestört arbeiten kann.» Er sägt beispielsweise Holzpuzzle aus, schleift Schuhlöffel, bearbeitet Sackmesser oder schneidet Vermessungspfosten zu, die er auch selbstständig einfärbt, trocknet und verpackt.
Für den aufgeweckten jungen Mann ist es wichtig, die Menschen, mit denen er arbeitet, gut zu kennen – so fühlt er sich wohl und kommt jeden Tag gerne zur Arbeit.
Darauf legt auch sein Betreuer Wert: «Kameradschaft wird bei uns grossgeschrieben», bestätigt David Hänni. Gemeinsam nimmt man sich Zeit, immer wieder neue Ideen zu entwickeln und hochwertige Produkte zu schaffen. Denn: Was mit Freude produziert wird, wird auch den Kundinnen und Kunden Freude bereiten. So haben alle etwas davon.
Viele der Arbeiten von Berti und Martin können im ARBES-Lädali vu da PDGR in Chur oder über den Online-Shop bezogen werden.